Nichts ist für die Opfer von Straftaten wichtiger als ihre Handlungsfähigkeit wieder zurückzuerlangen. Opfer, die in ihrer Opferposition bleiben, laufen Gefahr, das Erlebnis ihr ganzes Leben lang mitzuschleppen.
Die Rechte, die Verletzte heute haben, sind erst in den letzten Jahren entstanden. In den Strafverfahren spielten viel zu lang nur die Täter eine Rolle. Verletzte mussten sich mit einer Nebenrolle als Zeuge begnügen, in der sie dann auch noch vom Anwalt des Angeklagten mit verletzenden Fragen ein zweites Mal zum Opfer gemacht wurden.
Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Die Rechte der Verletzten sind noch immer nicht so umfangreich, wie sie meiner Meinung nach sein sollten, aber es hat sich einiges zum Positiven entwickelt. Es liegt an Ihnen, diese Möglichkeiten auch zu nutzen, um bei der Aufarbeitung der Tat eines nicht mehr zu sein: ein Opfer.
Sofern der Täter nach der Tat nicht in Untersuchungshaft sitzt, besteht bei Gewaltdelikten immer die Möglichkeit, dass der Täter sich den Betroffenen erneut gegen ihren Willen nähert um weiter auf sie einzuwirken oder sie unter Druck zu setzen.
Um dies bei gegenwärtigen Gefahren kurzfristig zu verhindern, können sich die Betroffenen an die Polizei wenden. Diese ist nicht nur an der Strafverfolgung beteiligt, sondern hat nach den Polizeigesetzen der Länder auch das Recht, präventive Maßnahmen zum Schutze der Betroffenen durchzuführen. Die Polizei kann gegenüber den Tätern einen Platzverweis aussprechen und sie aus der Wohnung der Betroffenen verweisen. Möglich ist zudem ein Betretungsverbot für die Umgebung der Wohnung. Zeigt der Täter, dass er den Weisungen der Polizei nicht nachkommen will, so kann die Polizei ihn in Gewahrsam nehmen und ggf. einen Antrag auf Unterbringungsgewahrsam stellen.
Um nicht nur über einen kurzen Zeitraum vor dem Täter geschützt zu sein, empfiehlt sich zudem ein Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz. Die Anträge sollten möglichst frühzeitig gestellt werden, da es immer eine Weile dauert, bis das Gericht seine Anordnungen erlässt. Geschützt werden können die Betroffenen dadurch, dass das Gericht anordnet, dass der Täter
Gleiches gilt auch schon dann, wenn jemand "nur" mit Gewalt droht oder sein Opfer stalkt.
Besonders geschützt werden zudem die Opfer von häuslicher Gewalt. Diese können beantragen, dass der Täter die gemeinsame Wohnung verlassen muss. Das kann selbst dann geschehen, wenn die Wohnung dem Täter gehört oder er sie alleine angemietet hat.
Sind Kinder involviert, sollten Sie alles dafür zu tun, diese vor dem Miterleben weiterer Gewalt zu schützen. Ist eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz ergangen, so kann versucht werden, dem gewalttätigen Elternteil das Umgangsrecht ganz oder teilweise zu entziehen. Bei Gewalttaten zwischen Eheleuten besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts zu stellen.
In den allermeisten Fällen beginnt die Strafverfolgung dadurch, dass die Strafverfolgungsbehörden aus der Bevölkerung einen Hinweis über eine mögliche Straftat bekommen. Diesen Hinweis nennt man Strafzeige. Die Anzeige kann nicht nur vom Opfer der Tat, sondern von jeder Person, die von der Tat Kenntnis erlangt hat (wie z. B. Zeugen), gestellt werden. Die Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden kann sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen. Kosten für den Anzeigenerstatter entstehen dabei nicht. Es gibt auch keine zeitliche Frist, innerhalb derer die Anzeige erfolgen muss.
Zuständig für die Entgegennahme von Strafanzeigen sind die Polizei, die Staatsanwaltschaft sowie die Amtsgerichte. Damit die Strafverfolgungsbehörden zügig ermitteln können, sollten Sie in der Anzeige (sofern möglich) folgende Angaben machen:
Die Strafanzeige kann nachträglich nicht mehr zurückgezogen werden. Wenn die Strafverfolgungsbehörden einmal Kenntnis von einem möglicherweise strafbaren Verhalten erlangt haben, sind sie in der Regel gesetzlich verpflichtet zu ermitteln.
Wichtiger Hinweis:
Machen Sie bei der Anzeige niemals absichtlich falsche Angaben. Wenn Sie über einen Sachverhalt nur wenige Angaben machen können, ist das eben so. Und wenn Sie sich bei etwas nicht mehr ganz sicher sind, machen Sie das deutlich. Bei vorsätzlichen oder leichtfertigen Falschangaben können Ihnen sonst die die Kosten des Ermittlungsverfahrens auferlegt werden und Sie riskieren eine Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung oder übler Nachrede.
In Strafverfahren ohne Zeugen oder sonstige Beweismittel kann zudem ein Glaubhaftigkeitsgutachten durch einen Sachverständigen erstellt werden. Findet der Sachverständige heraus, dass die Betroffenen Teile ihrer Aussage nur hinzuerfunden haben, können Sie fast sicher sein, dass der Täter ohne weitere ihn belastende Beweismittel freigesprochen wird.
Bei einigen Straftaten aus den Bereich Bagatellkriminalität und Kriminalität mit Familienbezug reicht die Strafanzeige allein nicht aus, damit die Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungen aufnehmen. Vielmehr ist in diesen Fällen ein sogenannter Strafantrag erforderlich, weshalb diese Delikte auch Antragsdelikte genannt werden. Bei diesen ist das Interesse der Allgemeinheit an der Strafverfolgung nicht oder nur selten betroffen, so dass es vielmehr darauf ankommt, ob die durch die Tat verletzten Personen eine Bestrafung der Täter wünschen.
Unterschieden werden bei den Antragsdelikten die absoluten und die relativen Antragsdelikte. Die absoluten Antragsdelikte können ohne einen Strafantrag in keinem Falle verfolgt werden. Selbst wenn Polizei und Staatsanwaltschaft gerne ermitteln würden, dürfen sie dies ohne den Strafantrag nicht tun.
Absolute Antragsdelikte sind zum Beispiel
Bei den relativen Antragsdelikten wird die Tat nur dann verfolgt, wenn entweder ein Strafantrag gestellt wurde oder aber ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Wenn also kein Strafantrag gestellt wurde, haben in diesen Fällen die Strafverfolgungsbehörden trotzdem noch die Möglichkeit zu ermitteln, sofern dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Dabei gibt es keine allgemeine Definition, wann dieses besondere öffentliche Interesse besteht, sondern es gibt je nach Delikt eigenständige Kriterien. So kommt es beispielsweise bei einer einfachen Körperverletzungen darauf an, ob eine rohe Tat, eine erhebliche Misshandlung oder eine erhebliche Verletzung vorliegt.
Relative Antragsdelikte sind zum Beispiel
Der Strafantrag ist schriftlich zu stellen. Dies geschieht zumeist direkt in Verbindung mit der Strafanzeige. Dabei muss nicht zwingend das Wort Strafantrag benutzt werden. Es reicht, wenn sich aus dem Vorbringen zweifelsfrei ergibt, dass die Verfolgung der Straftat verlangt wird. Um Missverständnissen vorzubeugen empfiehlt es sich aber, immer das Wort Strafantrag zu verwenden. Dann gibt es hinterher keine Diskussionen darüber, ob wirklich eine Strafverfolgung gewünscht wurde oder nicht.
Antragsberechtigt ist grundsätzlich die durch die Tat verletzten Personen. Sind die Antragsberechtigten geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig, so können die gesetzlichen Vertreter bzw. die Sorgeberechtigten den Antrag stellen.
Der Antrag muss innerhalb von drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt nicht ab dem Zeitpunkt der Tat, sondern ab dem Tag, an dem der Antragsteller von der Tat sowie der Person des Täters Kenntnis erlangt. Diese Regelung sorgt dafür, dass bei unbemerkt durchgeführten Straftaten die Antragsfrist nicht schon abgelaufen ist, bevor die Tat überhaupt entdeckt wurde.
Im Gegensatz zur Strafanzeige kann der Strafantrag zurückgenommen werden. Dies geht sogar noch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens. Aber Achtung: Ein einmal zurückgenommener Strafantrag kann nicht noch ein zweites Mal gestellt werden.
Leider hält sich hartnäckig das Gerücht, dass ein Täter nur dann verurteilt werden kann, wenn es Zeugen oder andere Beweismittel gibt. Bei Fällen mit Aussage-gegen-Aussage-Situationen würde der Angeklagte nach dem Prinzip "im Zweifel für den Angeklagten" immer freigesprochen.
Das stimmt nicht!
Dieser Mythos hält oftmals die Opfer von Straftaten, die sich nicht in der Öffentlichkeit abspielen davon ab, die Tat anzuzeigen. Dies betrifft vor allem Sexualdelikte. Bei diesen kommt oft noch hinzu, dass die Betroffenen unter Schock stehen und einfach nicht daran denken, Beweismittel zu sichern. Aber selbst wenn es keine Beweismittel gibt und dadurch nur die Aussage der Betrofffenen bleibt, heißt das nicht, dass der Täter automatisch freigesprochen wird.
Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichtes ist in diesen Fällen die Glaubwürdigkeit der Betroffenen. Es ist Aufgabe der Richter herauszufinden, wessen Aussage glaubwürdig ist und dementsprechend das Urteil zu sprechen. Dies kann er entweder alleine tun oder durch die Hinzuziehung eines Sachverständigen. Dieser erstellt dann ein sogenanntes Glaubwürdigkeitsgutachten. Erst wenn nach der eigenen Einschätzung der Richter oder trotz des Gutachtens Zweifel an der Darstellung der Betroffenen bleiben, kommt der Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" zur Anwendung und der Angeklagte ist freizusprechen.
Die Nebenklage ist für Verletzte eine gute Möglichkeit, selbst aktiv am Strafverfahren teilzunehmen. Nebenklage bedeutet dabei nicht, dass die
Verletzten zusätzlich zur Staatsanwaltschaft ebenfalls Klage erheben, sondern dass sie sich der Klage der Staatsanwaltschaft anschließen. Ein eigenes Recht zur Klage haben Verletzte nur im Rahmen
der Privatklage.
Auch wenn die Nebenklage keine eigene Klage ist, so eröffnet sie den Verletzten doch eine ganze Reihe von Möglichkeiten, auf das Strafverfahren Einfluss zu nehmen. Nebenklägern haben das Recht
Die Wahrnehmung dieser Rechte ermöglicht es den Verletzten, aus ihrer nur passiven Rolle im Strafverfahren als Zeuge herauszutreten und das Strafverfahren aktiv zu beeinflussen. Dadurch verhindern die Betroffenen, dass sie und ihre Verletzungen lediglich eine Randnotiz sind, während sich das Verfahren fast ausschließlich um den Angeklagten dreht.
Die Frage, in welchen Fällen die Verletzten sich als Nebenkläger der Klage anschließen können, ist ausgesprochen unübersichtlich geregelt. Zunächst gibt es eine Vielzahl von Delikten, bei denen die Verletzten immer die Möglichkeit der Nebenklage haben, ohne dass zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Eine Nebenklage ohne zusätzliche Voraussetzungen kommt bei folgenden Delikten in Betracht:
a) Sexualdelikte nach §§ 174 - 182, 184i bis 184k StGB
b) Mord und Totschlag, §§ 211, 212 StGB
c) Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit: §§ 221, 223 bis 226a und § 340 StGB
d) Straftaten gegen die persönliche Freiheit, §§ 232 bis 238, 239 Abs. 3, 239a, 239b, 240 Abs. 4 StGB
e) Verstoß gegen Auflagen nach dem Gewaltschutzgesetz, § 4 GewSchG
f) Verletzung von Rechten nach dem Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Markengesetz, Designgesetz, Urhebergesetz etc.
Auch bei anderen Straftaten kann eine Nebenklage zulässig sein, wenn zusätzlich besondere Gründe vorliegen.
Nach § 395 Abs. 3 StPO kann sich der Verletzte der Klage nämlich auch bei nicht in § 395 Abs. 1 StPO genannten Straftaten anschließen, sofern der Anschluss aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung der Interessen des Verletzten geboten erscheint.
Beispielhaft aufgezählt werden im Gesetz folgende Straftaten, bei denen dies in Betracht kommen kann:
Die Aufzählung ist aber nicht abschließend. Daher ist die Nebenklage grundsätzlich bei jeder rechtswidrigen Tat möglich, sofern der Verletzte die besonderen Gründe nachweisen kann.
Bezüglich dieser Gründen wird entsprechend der Gesetzesbegründung vor allem auf die Schwere der Tatfolgen für das Opfer abgestellt. Die schweren Folgen liegen dabei insbesondere dann vor, wenn beim Verletzten körperliche oder seelische Schäden mit einem gewissen Grad an Erheblichkeit bereits eingetreten oder zu erwarten sind. Beispiele sind Gesundheitsschädigungen, Traumatisierungen, erhebliche Schockerlebnisse oder die erforderliche Abwehr von Schuldzuweisungen durch den Täter. Allein das wirtschaftliche Interesse an der effektiven Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche reicht dagegen nicht aus.
In Jugendstrafverfahren ist die Zulässigkeit der Nebenklage zum Schutz der jugendlichen Täter auf besonders schwere Delikte beschränkt. Zudem gibt es keine Möglichkeit, sich der Klage aufgrund besonderer Gründe anzuschließen.
Nebenkläger in Jugendstrafverfahren kann nur sein, wer verletzt worden ist
Das Eigenschaft des Verletzten als Zeuge ist unabhängig von seiner Position als Nebenkläger. Daher kann der Verletzte auch dann Zeuge sein, wenn er sich als Nebenkläger der Klage der Staatsanwaltschaft angeschlossen hat. Als Zeuge hat der Verletzte wie genau dieselben Rechte und Pflichten wie alle anderen Zeugen.
a) Pflichten des Zeugen
Der Zeuge hat im Strafverfahren drei Pflichten:
Kommt der Zeuge diesen Pflichten nicht nach, können gegen ihn Sanktionen verhängt werden. Erscheint der Zeuge nicht zur Verhandlung, so können ihm die dadurch entstandenen Kosten auferlegt oder es kann die zwangsweise Vorführung angeordnet werden. Bei einer Verweigerung der Aussage ohne das Recht dazu drohen Zwangsmittel wie die im härtesten Falle Beugehaft.
b) Rechte des Zeugen
aa) Das Recht auf staatlichen Schutz
Auf der anderen Seite gibt es eine ganze Reihen von Rechten. Staatliche Strafverfolgungsorgane sind verpflichtet, die Zeugen zu schützen, sofern dieser durch seine Mitwirkung in Leib- oder Lebensgefahr gerät. Um dies zu gewährleisten kann der Wohnort bzw. die Identität des Zeugen geheim gehalten werden. Möglich ist dies dann, wenn der Zeuge um seine körperliche Unversehrtheit oder seine Freiheit fürchten muss, da er im Vorfeld der Verhandlung Drohanrufe bzw. briefe vom Angeklagten oder Personen aus dessen Umfeld erhalten hat. Zudem kann die Öffentlichkeit bei der Vernehmung ausgeschlossen werden, wenn zu erwarten ist, dass die wahrheitsgemäße Aussage den Zeugen oder eine andere Person in Gefahr bringen könnte. In besonders schwerwiegenden Fällen besteht die Möglichkeit, den Zeugen in ein sogennantes Zeugenschutzprogramm aufzunehmen.
Ebenso wie Leib und Leben muss der Staat auch die Persönlichkeitsrechte der Zeugen schützen. Um dies zu erreichen, kann bei Zeugenaussagen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich der Zeugen betreffen (wie z. B. der Gesundheitszustand, sexuelle Neigungen oder religiöse Einstellungen), die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen werden. Fragen, die dem Zeugen zur Unehre gereichen können oder den persönlichen Lebensbereich betreffen, sollen von den vernehmenden Personen nur dann gestellt werden, wenn es unerlässlich ist. Stellt die Anwesenheit des Angeklagten für den Zeugen eine so starke Belastung dar, dass er sich weigert unter Anwesenheit des Angeklagten auszusagen, kann dieser für die Dauer der Vernehmung aus dem Sitzungssaal entfernt werden.
bb) Das Recht, nicht aussagen zu müssen
Das Recht, nicht aussagen zu müssen, gibt es in zwei Fällen: Entweder hat der Zeuge ein Zeugnisverweigerungsrecht nach den §§ 52 ff. StPO oder er hat ein Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO.
Die Zeugnisverweigerungsrechte greifen ein, wenn sich der Zeuge in einem Zwiespalt befindet. Würde er aussagen, würde er entweder dem Zusammenhalt seiner Familie schaden oder er würde gegen eine berufliche Pflicht verstoßen, bestimmte Informationen für sich zu behalten. Für diese Zwangslagen hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, dass Interesse der Strafverfolgung zurückstehen zu lassen und den Zwiespalt zugunsten des Zeugen aufzulösen. Daher muss der Zeuge z. B. keine Aussage machen, wenn er mit dem Angeklagten verwandt oder verschwägert ist oder die Informationen innerhalb seiner Tätigkeit als Seelsorger oder Arzt erhalten hat.
Das Aussageverweigerungsrecht steht dem Zeugen dann zu, wenn die Gefahr besteht, dass er aufgrund seiner Aussage selbst wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt würde. In diesem Fall wird der Zeuge praktisch wie ein Beschuldigter behandelt und kann wie dieser nicht dazu gezwungen werden, sich selbst zu belasten.
Durch das Klageerzwingungsverfahren können Verletzte durch die Einschaltung eines Gerichts die Staatsanwaltschaft zur Klageerhebung zwingen. Sie müssen also nicht hilflos zuschauen, wenn die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der Klage absieht, sondern können selbst aktiv dafür sorgen, dass das Verfahren weitergeführt wird. In Fällen, in denen für sämtliche Taten der Privatklageweg zulässig ist, hat dieser gegenüber der Klageerzwingung Vorrang.
Das Klageerzwingungsverfahren besteht aus drei Schritten:
1. Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss
Bevor das Gericht eingeschaltet werden kann, muss zunächst Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft bei der Generalstaatsanwaltschaft eingelegt werden. Dadurch bekommmt die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, die Einstellung des Verfahrens nochmals zu überdenken und ihre Meinung zu ändern. Die Beschwerde ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Einstellungsverfügung möglich.
2. Entscheidung durch die Generalstaatsanwaltschaft
Entscheidet sich die Generalstaatsanwaltschaft dazu, der Beschwerde stattzugeben, wird entweder sofort Klage erhoben oder es werden weitere Ermittlungen eingeleitet. Hält die Generalstaatsanwaltschaft die Einstellung der Klage für rechtmäßig, so lehnt sie die Beschwerde ab und eröffnet damit den Verletzten den Weg zu einer gerichtlichen Überprüfung.
3. Antrag auf gerichtliche Entscheidung
Zuständig für die gerichtliche Überprüfung der Verfahrenseinstellung ist das Oberlandesgericht. Der Antrag an das Gericht muss innerhalb eines Monatsnach Bekanntmachung der Beschwerdeentscheidung durch die Generalstaatsanwaltschaft gestellt werden. Vor der Entscheidung des Gerichts wird der Antrag zwecks Stellungnahme nochmal an die Generalstaatsanwaltschaft geschickt. Dabei hat die Staatsanwaltschaft ein zweites Mal die Möglichkeit, ihre Entscheidung zurückzunehmen und Klage zu erheben. Sofern die Staatsanwaltschaft bei ihrer Meinung bleibt, geht die Sache wieder zum Oberlandesgericht. Dieses entscheidet zunächst, ob die Ermittlungen in ausreichendem Maße durchgeführt wurden. Ist es der Meinung, dass weitere Ermittlungen erforderlich sind, kann es diese selber an Stelle der Staatsanwaltschaft anordnen.
Nach Abschluss der Ermittlung fällt das Gericht die Entscheidung, ob die Staatsanwaltschaft Klage erheben muss oder nicht.
Die Privatklage ist die einzige Ausnahme von dem Grundsatz, dass grundsätzlich nur die Staatsanwaltschaft zur Klageerhebung befugt ist. Der
Privatkläger übernimmt im Verfahren die Position der Staatsanwaltschaft und tritt daher nicht wie im "normalen" Strafverfahren als Zeuge, sonder als Ankläger auf. Die Privatklage ist nur dann
möglich, wenn Sie die die Tat erfolglos angezeigt haben (und ggf. Strafantrag gestellt haben) und die Staatsanwaltschaft das Verfahren mit Hinweis auf die Möglichkeit der Privatklage einstellt.
Zudem ist die Privatklage nur bei folgenden Straftaten möglich:
Sofern der Täter Jugendlicher ist besteht grundsätzlich keine Möglichkeit der Privatklage. Die Tat wird stattdessen durch die Staatsanwaltschaft verfolgt, sofern Gründe der Erziehung oder ein berechtigtes Interesse des Verletzten dies erfordern.
Bei Hausfriedensbruch, Beleidigung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung, Bedrohung und Sachbeschädigung muss nach § 380 StPO ein
Sühneversuch vor einer Vergleichsbehörde (in NRW Schiedsmann) beantragt und durchgeführt werden. Erst nach der Durchführung dieses Sühneversuches kann der Privatklageantrag gestellt
werden.
Folgende Punkte sind bei der Privatklage besonders zu bedenken:
Wie Sie sehen, wird es dem Betroffenen schwer gemacht, die Privatklage bis zum Ende zu verfolgen. Zum einen bestehen häufig Beweisschwierigkeiten, da der Betroffene nicht Zeuge sein kann und zum anderen besteht ein großes finanzielles Risiko. Dies ist vom Gesetzgeber so gewollt. Das Ziel der Privatklage ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht ein Strafurteil, sondern eine einvernehmliche Lösung der Sache zwischen Täter und Opfer.
Wenn der Privatklageweg beschritten wird, sollte daher im Vorfeld genau analysiert werden, wie hoch die Risiken für den Betroffenen sind und wie weit das Verfahren geführt werden soll. Ansonsten erhält der Verletzte statt der ersehnten Gerechtigkeit eine Menge Rechnungen, die er bezahlen darf, ohne irgendetwas erreicht zu haben.
Um seine vermögensrechtlichen Ansprüche wie z. B. Schadensersatz und Schmerzensgeld durchzusetzen muss man nicht extra ein Verfahren vor den Zivilgerichten anstrengen. Es gibt mittlerweile eine für die Betroffenen viel praktischere Möglichkeit, nämlich das sogenannte Adäsionsverfahren (von lateinisch adhaerere: anhaften). Dabei wird die Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche an das Strafverfahren sozusagen angeklebt, so dass über alle sich aus der Tat ergebenden Rechtsfolgen in einem einzigen Verfahren entschieden werden kann.
Dieses Verfahren hat eine ganze Reihe Vorteile für die Betroffenen:
Nicht möglich ist das Adhäsionsverfahren gegen Jugendliche (Alter von 14 bis 17 Jahren). Gegen Heranwachsende (Alter von 18 bis 20 Jahren) ist es dagegen möglich und zwar auch dann, wenn in dem Verfahren Jugendstrafrecht angewendet wird.
Ebenfalls ausgeschlossen ist das Adhäsionsverfahren, wenn für die Ersatzansprüche das Arbeitsgericht zuständig ist. Dies ist zum Beispiel bei unerlaubten Handlungen in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis der Fall, § 2 Abs. 1 Nr. 3d ArbGG.
Der Adhäsionsantrag kann theoretisch auch ohne anwaltliche Unterstützung gestellt werden. Es gibt mittlerweile sogar Vordrucke auf den Internetseiten von Justizministerien und der Polizei. Von diesen kann ich Ihnen allerdings nur abraten, da das Adhäsionsverfahren zu komplex sind, als das es mit einem Vordruck komplett erfasst werden könnte.
Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Gibt es bei einer Straftat mehrere Täter und wird zunächst nur einer von ihnen angeklagt, so muss der Adhäsionsantrag trotzdem auf gesamtschuldnerische Haftung lauten, obwohl eigentlich nur über die Haftung eines einzigen Täters entschieden wird. Dies liegt daran, dass der verurteilte Täter die Möglichkeit haben muss, bei seinen Mittätern Rückgriff zu nehmen. Steht dieses "als Gesamtschulder" nicht im Antrag, so kann das Gericht nicht über den Adhäsionsantrag entscheiden.
Durch den Täter-Opfer-Ausgleich haben sowohl die Beschuldigten als auch die Verletzten die Möglichkeit, außergerichtlich die Situation durch eine freiwillige Übereinkunft zu regeln. Dies ist für den Verletzten eine rein freiwillige Handlung. Auch wenn die Staatsanwaltschaft dem Verletzten eine offizielle Aufforderung schickt, die Versöhnungsbemühungen des Täters anzuerkennen, besteht für den Verletzten keinerlei Verpflichtung dies zu tun.
Der Täter-Opfer-Ausgleich kann für Verletzte jedoch einige Vorteile haben:
Der Täter-Opfer-Ausgleich findet durch geeignete staatliche Stellen oder durch freie Träger statt. Dort wird das Verfahren von ausgebildeten Mediatoren begleitet. In der Regel werden zunächst Einzelgespräche geführt, bevor das gemeinsame Ausgleichsgespräch durchgeführt wird. Im Rahmen einer Übereinkunft kommt es zumeist zu Zahlungen von Schadensersatz, Zahlungen von Schmerzensgeld, Entschuldigungen des Täters, der Rückgabe bzw. Wiederbeschaffung gestohlener Gegenstände. Möglich ist auch die Vereinbarung einer Arbeitsleistung des Täters für die Verletzten oder eine gemeinnützige Einrichtung.
Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ganz sicher nicht für jede Straftat geeignet. Bei Straftaten durch die die Verletzten traumatisiert wurden wie z. B. bei schweren Sexualdelikten ist das Ausgleichsverfahren keine Option. In vielen Fällen kann jedoch der Täter-Opfer-Ausgleich den Betroffenen die psychischen Belastungen des Strafverfahrens ersparen und mit der richtigen Vorbereitung und Durchführung auch die Folgen der Tat erträglicher machen.